Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz e.V.
GNOR e.V.

Halbtrockenrasen um Alsenz in der Nordpfalz

Ein Ausflug in die Schmetterlinge und Heuschrecken, zu dem die GNOR eingeladen hatte, führte uns am 28. Mai 2011 nach Alsenz, an den Osthang des Niedermoscheler Berges direkt oberhalb vom Ort. In diesem Teil des Alsenztals findet man besonders schöne, artenreiche Lebensräume, so dass die Entscheidung für ein bestimmtes Ziel gar nicht leicht fällt. Am Niedermoscheler Berg gibt es außer mit Gebüschen durchsetzten Halbtrockenrasen nah beieinander auch blütenreiche Mähwiesen und andererseits steile, feingrusige Rutschhalden mit lückiger Vegetation. Es hatte den ganzen Monat kaum geregnet, und uns war etwas bange, ob wir viel Erfreuliches sehen würden: Die Pflanzen an den Hängen litten aber nicht so sehr, wie befürchtet, es gab zumindest hier genügend Nektarangebot und Eiablagemöglichkeiten für die Falter.

Wir liefen das erste Stück auf einem befestigten Fahrweg hinauf und gelangten dann zu weitgehend eben den Hang entlang verlaufenden, selten befahrenen Wegen mit üppig krautigen, blumenreichen Säumen und Böschungen, wie man sie in dieser Gegend öfters findet. Sie gehören zu den wichtigsten Lebensräumen oder Habitatbestandteilen der in der Nordpfalz lebenden Pflanzen- und Insektenarten, das Glück liegt für uns hier also wirklich am Wegesrand. Die Wirtschaftswege werden alle paar Jahre gemäht und offen gehalten, das scheint das ökologisch Produktivste zu sein, mit nicht zu viel und nicht zu wenig Eingriff. Unübersehbar spielt die Landwirtschaft dabei aber keine bedeutsame Rolle mehr, sondern der Landschafts- und Biotopschutz stehen dahinter. Direkt in der Nähe, an einem ausgedehnten Südhang oberhalb des Talergrabens, haben die Anwohner seit langem sämtliche Nutzung aufgegeben: Alles ist von Schlehen und anderen Gehölzen überwachsen, mit nur sporadischen kleinen, quadratmetergroßen Inseln, wo man noch etwas mehr Artenvielfalt vorfinden kann. Auch hier ziehen sich horizontal auf mehreren Etagen ehemalige Wirtschaftswege über fast einen Kilometer den Hang entlang, aber sie sind zugewachsen und unpassierbar geworden.

Die seit langem warme Witterung hatte einige Sommerarten, sowohl Heuschrecken als auch Schmetterlinge, sich ungewöhnlich schnell entwickeln lassen: Im Gebüsch oberhalb eines Geröllhangs war bereits eine zirpende Steppen-Sattelschrecke (Ephippiger ephippiger) zu hören, eine große, als flugunfähig geltende Heuschrecke, der man hier, mit etwas Glück, typischerweise eher am Ende des Sommers und im Frühherbst begegnet, wenn sie zum Beispiel an Wegrändern nach einem Platz zur Eiablage sucht. Neben anderen Heuschreckenarten fanden wir auch mehrere erwachsene Heidegrashüpfer (Stenobothrus lineatus), Große Goldschrecken (Chrysochraon dispar) waren die häufigsten adulten Heuschrecken hier – mit allen ist zu dieser Jahreszeit normalerweise noch nicht zu rechnen. Zwei Brombeer-Perlmutterfalter (Brenthis daphne) an einer Böschung mit blühenden Brombeersträuchern gehörten zu den ersten Tagfaltern, die wir sahen. Vor ein paar Jahren gab es diesen Schmetterling in der Gegend noch nicht: Er ist als neue Art von Süden zugewandert, hat mit Ausnahme großer Teile der Oberrheinebene binnen neun Jahren die ganze Pfalz besiedelt und es dabei von der französischen Grenze bis an den Hunsrück geschafft.

Die häufigsten Tagfalter, die wir dann zu sehen bekamen, waren die Kronwicken-Bläulinge (Plebeius argyrognomon), eine in den meisten Gegenden von Rheinland-Pfalz fehlende, hier aber charakteristische Bläulingsart, die auf der Flügelunterseite silbrige Flecke trägt. Mit ihren bis zu drei jährlichen Generationen und ihrer vergleichsweise hohen Bestandsdichte sind sie in den für Weinanbau geeigneten Lagen der Nordpfalz eigentlich gut zu finden. Dagegen kann man auch bei Alsenz nie sicher sein, einem Alexis-Bläuling (Glaucopsyche alexis) zu begegnen, ebenfalls ein „typischer“ Schmetterling der Wegböschungen und Halbtrockenrasen der Umgebung, der nur einmal im Jahr fliegt und dabei keine so feste Flugzeit hat, sondern anscheinend nach und nach schlüpft und niemals häufig wird. Eine weitere besonders schöne Bläulingsart teilt hier mit den beiden anderen die an den Gebüschrändern wachsende Eiablage- und Raupennahrungspflanze Bunte Kronwicke (Coronilla varia): der Himmelblaue Bläuling (Polyommatus bellargus), den wir sonst hier am Hang auch nur in Einzeltieren fanden und der dieses Jahr auf einmal viel zahlreicher flog.

Mit den Bläulingen verwandt sind die Zipfelfalter. Zwei Arten aus der Gattung Satyrium sind um Alsenz herum erfreulicherweise recht häufig, der Pflaumen- und der Kleine Schlehen-Zipfelfalter (Satyrium pruni, Satyrium acaciae). Beide legen ihre Eier vor allem bzw. ausschließlich an Schlehen (Prunus spinosa). Satyrium pruni wählt dafür ältere Büsche und belegt etwas beschattete Zweige mehr im Innern des Buschwerks, während Satyrium acaciae dazu kniehohe, wenig verzweigte Schlehenschösslinge oder Krüppelschlehen nutzt, die gut besonnt an warmen Plätzen stehen. Für eine „Verjüngung“ der Schlehenbestände, wie diese Falterart sie benötigt, sorgt unter anderem die gelegentliche Mahd der Wegböschungen.

Häufig waren jetzt auch die Weißbindigen Wiesenvögelchen (Coenonympha arcania). Von allen heimischen Augenfaltern haben sie wohl mit die schönste Zeichnung. Ihre Verwandten am gleichen Hang, die Kleinen Wiesenvögelchen (Coenonympha pamphilus), sind viel unscheinbarer, sie findet man dagegen fast überall, wo etwas Grünland vorhanden ist.

Drei Scheckenfalterarten sind von hier bekannt und fliegen in denselben Biotopen. Den Ehrenpreis-Scheckenfaltern (Melitaea aurelia), die nur sehr lückenhaft verbreitet sind, geht es momentan bestandsmäßig am besten. Auch sie sahen wir öfter als in den vergangenen Jahren. Baldrian-Scheckenfalter (Melitaea diamina) findet man meistens in Feuchtwiesen und Mooren. In der Nordpfalz, auch hier am Niedermoscheler Berg, gibt es Populationen, die trockene Habitate besiedeln. Bei der dritten Art, dem Wegerich-Scheckenfalter (Melitaea cinxia), hatten wir an diesem Nachmittag kein Glück. Er schlüpft schon zeitiger im Frühjahr, zwei bis drei Wochen vor den anderen, und dieses Jahr war es Ende Mai eventuell schon zu spät, um ihn zu finden.

Schmuck-Kleinspanner (Scopula ornata) und Beilfleck-Widderchen (Zygaena loti) sind zwei tagaktive Nachtfalter, die uns auf der Exkursion besonders auffielen, die Spanner sehr kleine Tiere mit zarten Flügeln, die immer wieder in der Böschung vor uns aufflogen und sich auf Schlehenzweige setzten, die Widderchen farbenprächtig und manchmal, nicht besonders scheu, zu mehreren auf Blüten oder an Stengeln.

Wir kamen an diesem Mainachmittag auf 32 Tagfalterarten, mehr konnten wir eigentlich kaum erwarten: 58 Arten ließen sich in den letzten 15 Jahren im Raum Alsenz nachweisen, was für unsere Region sehr viel ist, und die übrigen 26 sind großteils entweder im zeitigen Frühjahr oder wirklich erst im Hochsommer unterwegs.