aktualisiert 5.5.2025
Saatkrähe, Foto: M. Schäf
Das Thema Saatkrähe wird sehr kontrovers diskutiert und ist emotional stark belastet.
Früher einmal ein häufiger Vogel, ist dieser Koloniebrüter durch Bejagung und andere Vergrämungsmaßnahmen in seinen Beständen so stark zurückgegangen, dass diese Art in ganz Deutschland als gefährdet eingestuft und unter Schutz gestellt werden musste.
Heute breitet sich die Saatkrähe wieder aus, was u.a. durch das rheinland-pfälzische, durch die GNOR koordinierte Vogelmonitoring-Projekt dokumentiert wird (Vogelmonitoring RLP) .
Die weitere (lokale) Zunahme der Saatkrähenbestände und die damit verbundenen Probleme in der Stadt (Lärmbelästigung, Verschmutzungen) und auf dem Land (Schäden in der Landwirtschaft) haben viele Verbände, Landesbehörden, Städte, Kommunen und Einzelpersonen bewogen, sich über möglichen Maßnahmen Gedanken zu machen und den allgegenwärtigen Wunsch nach Abschuss der Tiere entgegenzutreten, ohne die bestehenden Konflikte zu leugnen.
Saatkrähenkonflikt
Auch die GNOR hat sich schon früh zur Aufgabe gemacht, die Akzeptanz für diesen Vogel durch Aufklärung und Aufzeigen möglicher Maßnahmen zu fördern.
Im November 2023 haben wir eine GNOR-Stellungnahme zum Umgang mit Saatkrähen-Konflikten in Rheinland-Pfalz herausgegeben, in der Sie alternative Maßnahmen nachlesen können (aktualisierte Version von April 2024) .
Allgemeinverfügung zum Saatkrähen-Vergrämungsabschuss
Als sich die SGD Süd Anfang 2025 genötigt sah, aufgrund der Antragsflut für Ausnahmegenehmigungen für den Saatkrähenabschuss in den letzten Jahren eine Allgemeinverfügung zu erlassen, haben die Naturschutzverbände eine gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf dieser Allgemeinverfügung verfasst, die in Teilen auch Eingang in die Allgemeinverfügung gefunden hat.
Entwurf zur Allgemeinverfügung zum Saatkrähen-Vergrämungsabschuss vom 6.3.2025
Stellungnahme der Naturschutzverbände zur Allgemeinverfügung vom 28.3.2025
Aktuelle Allgemeinverfügung zum Saatkrähen-Vergrämungsabschuss vom 3.4.2025 (mit Meldebogen).
Die Allgemeinverfügung der SGD Süd ist also mit Datum vom 3.4.2025 in Kraft getreten.
Dazu eine kurze Bewertung der GNOR (Ludwig Simon, Stand 5.5.2025).
Das Formale
Die SGD Süd bezieht sich auf die Eingabe der Stellungnahme der anerkannten Naturschutzverbände. ÖJV und Tierschutzverband sind nicht erwähnt. Erwähnt ist, dass eventuelle Genehmigungen aus anderen Rechtsbereichen (BJagdG, Waffengesetz und Tierschutzgesetz) unberührt bleiben und hier nur das Naturschutzfachliche geregelt wird. Was das juristisch bedeutet, ist schwer einzuschätzen, jedenfalls gibt die SGD zu erkennen, dass sie die unterzeichnenden Verbände aus den o.g. Rechtsbereichen nicht angefragt hat und auch nicht hätte anfragen müssen.
Das Bedenkliche
Jagd(ethische) und tierschützerische Argumente werden nicht näher aufgegriffen (s.o.) bzw. es wird argumentiert, dass die Allgemeinverfügung alle naturschutzfachlichen Aspekte abdecke. Es bleibt also dabei, dass mit dem Verlust von Altvögeln in der Brutzeit auch das Sterben der Jungvögel in Kauf genommen wird, das ist ausdrücklich erwähnt. Auch die Bewertung der Allgemeinverfügung als Einzelfall trotz deren Bezugsgröße und Heterogenität der Betriebe bleibt bestehen, auch wenn jetzt die Betriebe dazu mit einem Fragebogen befragt werden. Unseres Erachtens ist da der Tierschutz das wichtigste Argument und der Tierschutz muss auch entscheiden, ob er gegen den Erlass der Allgemeinverfügung vorgehen kann und möchte oder nicht.
Die Verbesserungen
Unsere Argumente haben immerhin dazu beigetragen, dass sich die AV an mehreren Stellen naturschutzfachlich deutlich verbessert hat:
Die Bezugskulturen wurden eingeschränkt, Erdbeerkulturen gestrichen und die Abschusszeiten differenziert (Zuckerrübe 15.4. – 10.6. und Kirsche 25.5. – 31.7.)
Die Zahl der zu schießenden Vögel wird pro Schlag auf maximal 2 Tiere beschränkt (zuvor drei). Was genau vor Ort passiert, ist natürlich indes kaum zu überprüfen.
Die beabsichtigte Tötung ist der SGD Süd spätestens einen Tag zuvor mittels vorgegebenem Bogen anzuzeigen. So bleibt zumindest die theoretische Möglichkeit der Stichprobenkontrolle und es werden die bisherigen Vergrämungsmaßnahmen abgefragt. Umfang und Ergebnis des Abschusses sind der SGD zum jeweiligen Monatsende in Textform zu melden (somit potentiell zu den Monatsenden April, Mai, Juni und Juli). Im Text wurden kleinere Anpassungen vorgenommen, um das Rechtlich-Formale besser zur argumentieren (Differenzierungen und argumentative Ausdehnung mit Verweis auf Aussagen von LfU (Landesamt für Umwelt, Vogelschutzwarte) und DLR). Ob das nun naturschutzfachlich eine Verbesserung bedeutet, sei dahingestellt.
Offene naturschutzfachliche Fragen
Einige bemängelte Aspekte blieben unberücksichtigt, so der Hinweis auf die Unbestimmtheit der Bezugsgröße des landwirtschaftlichen Schlages, die Abgrenzung gegenüber der Rabenkrähe, die Nichtbeachtung des schlechten Erhaltungszustandes der Art in Europa und damit die Verantwortung für RLP trotz des hiesig guten Erhaltungszustandes oder die Würdigung bzw. korrekte Einordnung von Ursache und Wirkung bei Schäden im Zuckerrübenanbau (gemäß Literatur erkennen die Saatkrähen geschädigte und z.T. vertrocknende Pflanzen mit Drahtwurmbefall, die sie dann herausziehen, um an die Larve zu gelangen. Auch ohne Saatkräheneinwirkung sterben also sehr viele der befallenen Pflanzen ab). Alternative Vergrämungsmaßnahmen oder vorbeugende Maßnahmen (Netze, Schreckschüsse, Mulchsaatverfahren) werden nicht in Erwägung gezogen.
Aussicht
Falls die Allgemeinverfügung zurückgenommen wird, kehrt die SGD Süd zur zuvor geübten Praxis der Einzelantragsstellung und Genehmigung zurück. Die Naturschutzinitiative hatte beim Gericht gegen den Sofortvollzug Einspruch eingelegt, das Gericht hat das jedoch abgelehnt (Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss vom 24.04.2025, 1 L 219/25.MZ): https://steuerzahler.de/bayern/newsticker-archiv/newsticker/news/naturschutzinitiative-keine-zwischenentscheidung-gegen-saatkraehen-vergraemungsabschuss/.
Auch in Bayern gab es eine Ablehnung eines gleichgelagerten Beschlusses: https://www.lbv.de/news/details/vergraemung-von-saatkraehen-lbv-warnt-vor-abschuss-und-scheinloesungen/.
Die Praxis überfordert die Behörde (und war u.a. Anlass für die Allgemeinverfügung in Rheinhessen), eine umfängliche Prüfung war und wird nicht möglich. Nebenbei bemerkt: Die Vögel können nichts dafür, dass die Behörden aufgrund von Personalmangel zeitlich und fachlich überfordert sind. Verstöße müssten eigentlich in jedem Einzelfall belegt werden – auch juristisch eine Sisyphos-Angelegenheit.